Wer sich in der Schweiz gegen ein Windrad vor der Aussicht wehrt, hat schlechte Karten. Der Bund drückt seine Windkraftpläne rücksichtslos durch. Gemeinden und Bürger werden ausgehebelt. Mit der «Gegenwind-Initiative» will «Aufrecht» Gegensteuer geben – zunächst im Kanton St.Gallen.
Langenbruck im Kanton Basel-Landschaft hat knapp 1000 Einwohner. 1986 schrieb der kleine Ort Geschichte: Dort entstand die erste Windenergieanlage der Schweiz. Inzwischen sind rund 40 dazu gekommen. Ohne die Möglichkeit der Einsprache wären es weit mehr. Im Bundeshaus wird deshalb fleissig an Plänen gewerkelt, renitenten Gegnern das Leben schwer zu machen. Die Idee: Beschweren gegen eine Baubewilligung kann man sich künftig nur noch beim Kanton, und was der sagt, ist abschliessend. Der Gang vors Bundesgericht wäre nicht möglich.
Die Absicht ist klar: Es soll nahezu verunmöglicht werden, sich gegen Windräder zu wehren. Und das, obschon es kaum eine für Mensch und Landschaft invasivere Energieproduktion gibt. Windräder sind, wenn sie etwas nützen sollen, unübersehbar.
Unbefriedigendes Kosten-Nutzen-Verhältnis
Dabei ist die Schweiz keineswegs ein Land, das sich für Windkraft förmlich aufdrängt. Es gibt einzelne Regionen, die ergiebig sind, aber eine flächendeckende Verbreitung liefert kein befriedigendes Kosten-/Nutzenverhältnis. Genau das aber ist die Absicht. Durch das Energiegesetz sind die Kantone verpflichtet, geeignete Gebiete für die Nutzung der Windkraft in ihre Richtpläne aufzunehmen. Ab einer gewissen Grösse gilt eine Windkraftanlage als «von nationalem Interesse», und selbst der widerspenstigste Gemeindepräsident hat dagegen keine Karten.
Nun wird fleissig von oben nach unten delegiert. Bundesbern will Windenergie, die Kantone schustern die Richtpläne zusammen, die Gemeinden haben zu schweigen. Wie das aussieht, zeigen exemplarisch der Kanton St. Gallen und seine «Richtplananpassung 23». Für diese wurden 17 geeignete Gebiete definiert. Mit diesen im Gepäck ging die Regierung auf eine Tour durch den Kanton. Dort erfuhren die Bürger, wie segensreich Windräder seien. Die Stimmung war zum Teil aufgeheizt. Besänftigt wurden Windrad-Kritiker mit einer «öffentlichen Mitwirkung». Bürger konnten sich elektronisch zum Entwurf äussern, und diese Stimmen werde die Regierung dann «in ihre Erwägungen einbeziehen».
Kein Mitsprachrecht für Bürger
Soweit die Theorie, aber faktisch ist alles bereits gesetzt. Der Kanton muss dem Bund zwingend Standorte liefern. St. Gallen will sich das Leben besonders leicht machen mit einem kantonalen «Sondernutzungsplan». Der wird damit begründet, dass Windräder oft eine «gemeindeübergreifende Koordination» benötigen, gelegentlich sogar über Kantons- oder Landesgrenzen hinaus. Der Trick dabei: Bei einem Sondernutzungsplan fehlt die Möglichkeit eines fakultativen Referendums. Es gibt also kein Mitspracherecht für Bürgerinnen und Bürger.
Das Vorgehen ist geschickt. Zuerst wird ohne Not ein Problem kreiert. Technologieverbote lassen die Gefahr einer Strommangellage heute als real erscheinen. Entsprechend müssen Alternativen her, zu denen die Windkraft – in bescheidenem Mass – gehört. Daraus leitet die Politik eine Notwendigkeit ab, die es dann als gerechtfertigt erscheinen lässt, die Volksrechte drastisch zu beschneiden. Ganz nach dem Motto: «Es muss jetzt eben einfach sein.»
Ein Windrad ist aber nicht alternativlos wie eine Strasse, ein Bahngleis, eine Schule oder eine Feuerwehrstation. Den Bürgern die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen ein Bauvorhaben zur Wehr zu setzen, muss sehr gut begründet werden. Der feste Wille des Bundes, die Windkraft auszubauen, nur weil es der Zeitgeist fordert, reicht dafür nicht.
Die Gruppierung «Aufrecht St. Gallen» will deshalb nun eine «Gegenwind-Initiative» lancieren, deren Text derzeit ausgearbeitet wird. So soll dem Kanton St. Gallen dieses undemokratische Instrument wieder entrissen werden. Denn ansonsten diktiert faktisch das ferne Bern künftig, wem im Toggenburg oder im Rheintal ein Windrad vor die Aussicht gestellt wird – mit den Kantonen als Erfüllungsgehilfen.
Stefan Millius
Zur Person:
Stefan Millius ist Journalist, Autor und Kabarettist. Er kandidierte in St. Gallen für Aufrecht für den Nationalrat.